Bei der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung handelt es sich um eine, laut Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesverkehrsministerium, unzulässige Abschalteinrichtung bei Mercedes. Die daraufhin angeordneten Rückrufe betreffen zahlreiche Modelle und hunderttausende Mercedes Diesel und lassen Daimler immer weiter im Abgasskandals versinken.
Das Landgericht Stuttgart hatte einen Sachverständigen beauftragt, zu der Regelung ein Gutachten zu erstellen. Ende 2020 legte der IT-Experte sein Gutachten vor. Er hatte die Motorsteuerungs-Software einer Mercedes E-Klasse überprüft und kam zu dem Schluss: "Die Motorsteuersoftware enthält eine Abschaltvorrichtung". Das Fahrzeug erkenne "die niedrige benötigte Motorleistung" auf dem Teststand, wenn der Prüfzyklus, der sogenannte NEFZ, durchfahren werde. Die Motorsteuerung regele dann die Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad Celsius herunter – statt der üblichen 100 Grad, heißt es im Bericht von BR24 zum Gutachten. "Die abgesenkte Kühlmitteltemperatur führt zu besseren NOx-Werten", so das Gutachten.
Ist die Kühlmittel-Umschaltlogik also im Einsatz, erkennt das Fahrzeug, wenn es sich auf dem Prüfstand befindet und schaltet dann in einen sauberen Modus. Auf der Straße dagegen wird ein Vielfaches des erlaubten Stickoxidwertes ausgestoßen.
Im Februar 2021 bestätigte das Bundesverkehrsministerium, dass es sich bei der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung (wie sie zunächst genannt wurde) um eine der fünf unzulässigen Abschalteinrichtungen handelt, die die Daimler AG in ihren Mercedes Dieseln eingesetzt hat.
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Welche Mercedes-Modelle nutzen die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung?
Das Kraftfahrt-Bundesamt hat im Mai 2019 die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als illegale Abschalteinrichtung eingestuft und einen verpflichtenden Rückruf für den GLK, die C-, E- und S-Klasse angeordnet. Auch der ab Herbst 2021 laufende Rückruf für 200.000 Fahrzeuge der Modelle Sprinter, Vito und Viano ist auf die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zurückzuführen.
Betroffene Fahrzeughalter haben einen Anspruch auf Schadensersatz!
Wie funktioniert die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung?
Bei den betroffenen Mercedes Fahrzeugen hat sich gezeigt, dass die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung parktisch nur im Prüfstand aktiviert ist. Sie sorgt dafür, dass der gesamte Kühlmittelkreislauf kälter bleibt und somit die Temperatur des Motoröls nur langsam ansteigt. Dadurch werden auf dem Prüfstand weniger Stickoxide ausgestoßen.
Im normalen Straßenbetrieb jedoch ist die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bei Mercedes quasi nie aktiv. Der Stickstoffoxid-Ausstoß steigt um ein Vielfaches. Deshalb kann auch von einer Kühlmittel-Umschaltlogik gesprochen werden.
Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte die KST-Software bereits im Herbst 2018 in Mercedes Dieseln gefunden. Das KBA bezeichnet die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als unzulässige Abschalteinrichtung und hat für 60.000 Euro 5 Diesel des Modells GLK 220 CDI einen Rückruf angeordnet. Betroffen sind Fahrzeuge aus den Jahren 2012 bis 2015. Hier wurde die KST im Motor OM 651 verbaut. Dieser Motor befindet sich jedoch auch in anderen Modellen, so auch in der C-, E- und S-Klasse. Der GLK Rückrufbescheid wurde deshalb wenig überraschend um weitere 30.000 Fahrzeuge dieser Modellklassen ausgeweitet. Daimler selbst gibt zu, dass auch Mercedes Diesel mit dem Motor OM 642 eine Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung besitzen. Mit weiteren Pflichtrückrufen ist deshalb zu rechnen.
Der im Herbst 2019 angeordnete und ab Herbst 2021 durchgeführte Rückruf für Sprinter, Vito und Viano mit dem Motor OM 651 und der Abgasnorm Euro 5 beruht ebenfalls auf dieser Abschalteinrichtung.
Auch das Bundesverkehrsministerium hat die Kühlmittelumschaltlogik im Febaur 2021 als unzulässige Abschalteinrichtung bezeichnet. Hinzu kommt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Dezember 2020. Dieser hatte unter anderem erklärt, dass Abschalteinrichtungen auch dann als unzulässig einzustufen seien, wenn die Abgasreinigung punktuell auch auf der Straße korrekt funktionieren würde. Das nimmt Daimlers Verteidigung den Wind aus den Segeln, denn diese behauptet gerne, dass die KST legal sei, alleine schon deshalb, weil sie (zumindest theoretisch) auch auf der Straße aktiv sei.
Im September 2021 hob das OLG Frankfurt ein abweisendes erstinstanzliches Urteil auf und verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. Dieses hatte den Klägervortrag zur Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als unsubstantiiert zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht widersprach dem vehement. Der Vortrag sei schlüssig gewesen und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ebenfalls schlüssig dargelegt worden.
Das OLG Naumburg hat die Daimler AG bereits wegen dieser Abschalteinrichtung zu Schadensersatz verurteilt.
Das sagt das KBA zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung
In verschiedenen Schreiben hat sich das Kraftfahrt-Bundesamt zu dieser Abschalteinrichtung geäußert:
Mit Hilfe eines elektrisch beheizbaren Thermostats im Kühlmittelkreislauf erfolgt in Abhängigkeit von den Drehzahl- und Lastbedingungen sowie Umgebungs- und Betriebsstoffbedingungen eine Sollwertabsenkung der Kühlmitteltemperatur von 100 °C auf 70 °C.
Aufgrund der niedrigeren Temperatur verbessert sich die Abgasrückführungsrate und das Fahrzeug stößt auf dem Prüfstand weniger Stickoxide aus.
Die Schaltkriterien sind laut KBA dabei so gewählt, dass das Fahrzeug den Prüfstand erkennt.
In einem weiteren Schreiben bezeichnet das KBA die Funktion als Schadstoff- und Abgasstrategie "Geregeltes Kühlmittelthermostat" und beschreibt diese wie folgt:
Die von der Daimler AG in den betroffenen Fahrzeugen verbaute Strategie zum geregelten Kühlmittelthermostat schaltet unter Prüfbedingungen einen Modus, bei dem zunächst eine niedrige Kühlmitteltemperatur eingeregelt wird. Dadurch bedingt werden AGR-Raten gefahren, mit denen der NOx-Grenzwert in der Typprüfung eingehalten wird. Wird der applizierte Timer, welcher die Zeitdauer der Typprüfung umfasst, überschritten, wird eine höhere Kühlmitteltemperatur eingeregelt. Dies hat zur Folge, dass geringere AGR-Raten geschaltet werden und somit höhere NOx-Emissionen entstehen.
Das Bundesverkehrsministerium bestätigte diese Funktionsweise der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung und ihre Unzulässigkeit ebenfalls.
Welche Rückrufe aufgrund der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung gibt es?
Das KBA hat verpflichtende Rückrufe für hunderttausende Mercedes Fahrzeuge angeordnet - aufgrund der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Betroffene Fahrzeughalter erhalten seitdem Post von Mercedes und werden mit ihrem Wagen in die Werkstatt gebeten. Dort wird dann ein Software Update aufgespielt, das die Kühlmittel-Sollwert-Umschaltlogik beseitigt. Zunächst hatte Daimler Widerspruch gegen diese und weitere Rückrufbescheide eingelegt. Doch im Februar 2021 wurde bekannt, dass das KBA die Widersprüche der Daimler AG zurückgewiesen hat. Die Unzulässigkeit der Kühlmittel-SolltemperaturRegelung wurde damit erneut bestätigt.
Laut KBA hat Mercedes zudem versucht, das wahre Ausmaß der Manipulation zu vertuschen. Kamen Kunden zur Inspektion oder aus anderen Gründen in die Werkstatt, wurde bei ihnen die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung heimlich entfernt. So habe Daimler versucht, zukünftige Pflichtrückrufe möglichst gering zu halten.
Das KBA hat jedoch - auf Basis weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen - noch weitere Rückrufe von Mercedes Dieseln angeordnet: Europaweit sind bereits über eine Million Fahrzeuge offiziell betroffen, in Deutschland etwa 600.000. Bei allen wurden illegale Abschalteinrichtungen gefunden. Wer der Einladung in die Werkstatt nicht nachkommt, dem droht die Zwangsstilllegung. Zudem häufen sich nach Durchführung des Updates negative Berichte über einen erhöhten Sprit- und AdBlue-Verbrauch, sowie über eine Versottung des Motors. Lediglich eine Einladung zur freiwilligen Kundendienstmaßnahme, in deren Rahmen ebenfalls ein Software-Update aufgespielt werden soll, kann ohne große negative Folgen abgelehnt werden,
So wehren Sie sich im Mercedes Abgasskandal
Wenn Sie aufgrund eines Rückrufs in die Werkstatt gerufen werden, dann sollten Sie sich anwaltliche Hilfe holen. Der Rückruf belegt, dass Ihr Mercedes eine illegale Abschalteinrichtung besitzt. Das kann zum Beispiel eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung aber auch eine der anderen sein (laut Verkehrsministerium wurden bisher 5 unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt). In diesem Fall haben Sie Anspruch auf Schadensersatz! Mercedes hat Sie vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt.
Hahn Rechtsanwälte prüft in einem kostenlosen Erstcheck, inwieweit Sie vom Mercedes Abgasskandal betroffen sind und welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben.
Bei einer erfolgreichen Klage geben Sie das manipulierte Fahrzeug an Mercedes zurück und bekommen im Gegenzug den Kaufpreis erstattet. Lediglich eine Nutzungsentschädigung basierend auf den bereits gefahrenen Kilometern müssen Sie sich dabei anrechnen lassen.
Wurde noch keine illegale Abschalteinrichtung in Ihrem Fahrzeug nachgewiesen, können Sie dennoch vom Mercedes Abgasskandal betroffen sein. Drohen in Ihrer Stadt Diesel Fahrverbote, oder leidet Ihr Diesel unter einem Wertverlust können Sie sich trotzdem wehren, indem Sie Ihr Fahrzeug mit dem Widerrufsjoker loswerden. Wenn Sie Ihr Auto finanziert haben, kontaktieren Sie uns – wir erläutern Ihnen in einem kostenlosen Erstgespräch die Möglichkeit des Autokredit Widerrufs und ob dieser auch in Ihrem Fall greifen kann.
Häufig gestellte Fragen zu Mercedes Abschalteinrichtungen
Neben der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung wurden in Mercedes Dieseln auch Thermofenster, Bit 13, Bit 14, Bit 15, die AdBlue Dosierungsstrategie und Slipguard benutzt. Vermutlich gibt es zudem noch weitere, bisher nicht bekannte Abschalteinrichtungen.
Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich danach, wie viel Sie für Ihr Fahrzeug bezahlt haben und wie viele Kilometer Sie damit zurückgelegt haben. Bei einer erfolgreichen Schadensersatzklage geben Sie in der Regel das Auto zurück und bekommen den Kaufpreis erstattet. Für die gefahrenen Kilometer müssen Sie sich aber eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.
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