Behörden und Gerichte sind es zunehmend leid, die Vernebelungstaktik der Daimler AG im Diesel-Abgasskandal weiter hinzunehmen. So wurde zwischenzeitlich bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Bußgeldverfahren gegen den Konzern eingeleitet hat. Der Vorwurf: Führungskräfte von Daimler haben im Dieselskandal ihre Aufsichtspflicht verletzt und damit Ordnungswidrigkeiten begangen.
Noch brisanter und folgenschwerer könnte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 01.02.2019 sein (Az.: 27 L 370.18), mit dem das Gericht einem presserechtlichen Eilantrag des ZDF auf Auskunftserteilung weitestgehend stattgegeben hat. Darin wird dem Bundesverkehrsministerium aufgegeben, Auskunft darüber zu erteilen, was genau zwischen Bundesverkehrsminister Scheuer und dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG Zetsche bei deren Treffen am 28.05.2018 besprochen worden ist. An diesem Tag hatte der Minister den Daimler Chef in das Ministerium nach Berlin einbestellt, um sich über das Ausmaß des Diesel-Abgasskandals zu informieren. Über die Einzelheiten wurde kurzerhand Stillschweigen vereinbart. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten Rückrufe des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen verbotener Abschalteinrichtungen erlassen worden waren, wollten sich Redakteure des ZDF nicht einfach abspeisen lassen und erwirkten im sog. Eilrechtsschutz einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin. Danach muss das Bundesverkehrsministerium einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten. Eine der Fragen lautet bspw., ob Scheuer gegenüber Zetsche am 28. Mai 2018 geäußert habe, er könne 5.000,00 Euro pro Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung als Ordnungsgeld berechnen und/oder die Äußerung getätigt hat: „Das macht 3,75 Milliarden Euro“. Auch muss das Verkehrsministerium Auskunft zur Berechnung von Ordnungsgeldern, zu den einschlägigen Rechtsgrundlagen und Verjährungsfristen geben. Zwar ist die Eilentscheidung noch nicht rechtskräftig, weil das Bundesverkehrsministerium Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt hat. Statistisch gesehen ist die Erfolgsquote für solche Beschwerdeverfahren jedoch sehr gering (Statistisches Bundesamt: Rechtspflege, Verwaltungsgerichte 2017, Seite 123).
Erst vor kurzem hat das Kraftfahrt-Bundesamt am 13.02.2019 einen weiteren Rückruf für Pkw des Modells Mercedes C-Klasse (Bj. 2013-2018) angeordnet. Auch hier wurden unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt:
Ganz unabhängig von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, hat das Landgericht Stuttgart bereits in mehreren Urteilen Diesel-Besitzern Schadensersatz zugesprochen, weil die Abgasnachbereitung ihres Diesel-Pkw mit einem sogenannten „Thermofenster“ unzulässig manipuliert worden ist.
„Den meisten Daimler-Kunden ist bislang noch gar nicht bewusst, dass die Erfolgsaussichten für Schadensersatz bereits jetzt sehr gut sind“, so der Bremer Fachanwalt Murken-Flato. „Der Vorwurf gegen Daimler lautet, seine Kunden durch den Verkauf abgasmanipulierter Diesel-Fahrzeuge sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt zu haben. Dies trifft bei den Gerichten in Stuttgart - als Stammsitz und damit allgemeinem Gerichtsstand von Daimler - bereits jetzt auf offene Ohren“, verrät Murken-Flato weiter.